9. Juli 2025

Chronisch krank und keiner merkt's: Mein medizinischer Marathon

Der Anfang meiner unbemerkten Reise

Rückblickend begann alles in den Jahren 2018/19. Ich bekam immer wieder Mandelentzündungen – etwas, das ich aus meiner Kindheit kannte, aber diesmal war es anders. Fünf Mal in einem Jahr, jedes Mal über Wochen hinweg. Ich hatte konstant über 40 Grad Fieber, geschwollene Augen, konnte tagelang nicht sprechen. Meine Stimme verschwand regelmäßig. Ich dachte, es lag am Rauchen – also hörte ich schnell damit auf. Irgendwann war die Phase dann tatsächlich vorbei. Ich glaubte, es sei wegen des Rauchstopps.

Im darauffolgenden Jahr, mitten in der Coronazeit, musste ich wegen schlimmer Halsschmerzen zum Arzt. Ich konnte kaum sprechen. Der Arzt sah nichts, nahm kein Blut ab, „Alles in Ordnung“, sagte er. Zwei Wochen später hatte ich plötzlich dicke, geschwollene Lymphknoten am ganzen Körper. Wieder zum Arzt. Wieder keine Untersuchung, kein Blutbild – laut ihm war es vermutlich Stress. Schließlich konnten wir als Eventagentur während Corona kaum arbeiten.

Dann kamen die Kopfschmerzen. Phasenweise so schlimm, dass ich tagelang nichts machen konnte. Ich dachte, ich hätte Migräne – mit Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, völliger Ausfall. Und das, obwohl ich schon immer sehr schmerzresistent war. Wenn ich mal zu einer Tablette griff, hatten andere schon acht Ibus intus und lagen flach. Aber diese Schmerzen waren anders. Akut. Trotzdem: Der Arzt sah nichts, wusste nichts – und ein Arztwechsel war zu der Zeit kaum möglich.

Symptome, Diagnosen – und immer wieder Ratlosigkeit

Wir zogen aus Hamburg weg, raus aufs Land, um mehr Platz zu haben, durchzuatmen. Die Enge der Stadt während Corona war zu viel. Ich hoffte auf Ruhe, auf Besserung. Doch es ging weiter, diesmal mit neuen Symptomen.

Beim Laufen, selbst kurze Strecken, brannte mein Fuß so stark, dass ich nicht weitergehen konnte. Nicht der operierte Fuß von 2018 – der andere. Nervenschmerzen. Der neue Landarzt sah nichts, wusste nichts. Vielleicht falsche Einlagen?

Beim Orthopäden hieß es: Cortisol. In so hoher Dosis, dass ich davon Pergamenthaut bekam. Gebracht hat es nichts, die Schmerzen blieben. Und die Haut am Fuß war jetzt auch geschädigt. Dann war meine Schulter plötzlich entzündet. Ohne Vorwarnung, ohne Sport oder Verletzung – das ganze Gelenk. Wieder Cortisol. Wieder keine Besserung.

Aus Verzweiflung kauften wir ein sündhaft teures Luxusbett – vielleicht kam alles vom schlechten Schlaf? Spoiler: Tat es nicht. Die Schlafprobleme blieben. Akut.

Meine vor Jahren diagnostizierte Rosacea eskalierte ebenfalls. Aber auch da: niemand wusste etwas. Meine neue Hausärztin hielt grundsätzlich wenig von Autoimmunerkrankungen. Sie war sich nicht sicher, ob es die überhaupt wirklich gäbe. Aha.

Meine Symptome wurden diffuser. Corona hatte ich gut überstanden – eine Infektion, langes Fieber, aber sonst nichts, was schlimmer gewesen wäre als das, was ich eh schon hatte. Doch meine Kraft war weg. Komplett. Es ging mir elend. Mein Mann, unsere Projekte und mein Job waren mein einziger Anker. Doch selbst der Job fiel mir immer schwerer. Dinge, die mir früher leicht fielen, dauerten jetzt ewig. Nach Events brauchte ich Tage zur Erholung. Ich hatte keine Ahnung, was los war.

Der Knall im Kopf – und eine medizinische Odyssee

Dann, 2023, saß ich im Zug nach Hause. Plötzlich war da dieses Geräusch in meinem Kopf. Ein Rauschen, als würde ich mein eigenes Blut hören. Angst. Ich vereinbarte einen Termin beim Neurologen. Mit einer Blutgerinnungsstörung und einem Vater, der sehr jung einen Schlaganfall hatte, war mir das nicht geheuer.

Und dann begann die eigentliche Odyssee: 
Neurologe – MRT – wieder Neurologe – Diagnose: Arteriovenöse Malformation im Kopf und Gesicht, unbestimmter Größe. Es folgten weitere MRTs mit zusätzlichen Sequenzen, eine Angiographie im UKE Hamburg– also ein Schlauch aus der Leiste bis in den Kopf. Ergebnis: Kein Tumor, aber ein riesiges Geflecht, das sich um meinen Kiefer und Gehörgang gebildet hatte. Arterie und Vene waren direkt miteinander verbunden – ohne Übergang. Dadurch entstand hoher Druck, der dieses permanente, gruselige Geräusch verursachte. 24/7. Ich wurde fast irre. Kein Schlaf, Kopfschmerzen zum Umfallen – und niemand wusste, wie man operieren sollte.

Dann die Neurologische Klinik Bad Segeberg: Ultraschall. Überraschung: Sie haben auch Hashimoto. Wussten Sie das? Nein. OP am Kopf? Nein, können wir nicht. Aber bestimmt die Uniklinik Schleswig-Holstein.
Neurochirurgie: Warten auf OP – Termin – abgesagt, kein Bett. Neuer Termin – abgebrochen, weil zu groß zum Embolisieren.
Dann zur Gesichtschirurgie – Anfang 2024: endlich eine erfolgreiche OP.

Hashimoto, Schmerzen und das große Fragezeichen

Ich dachte: Das war es. Jetzt wird alles gut. Die Realität? Es wurde schlimmer. Körperlich ging es steil bergab. Ich schob es auf den Schlafmangel und die Wunde am Kopf.
Ich bekam brennende Muskelschmerzen am ganzen Körper. So schlimm, dass ich abends kaum noch die Treppe hochkam. Und: Sie gingen nach der OP nicht weg – es wurde schlimmer.

Im April 2024 dann die nächste Etappe: Ich wachte auf und konnte beide Arme nicht mehr heben. Dann kam ein rapider Gewichtsverlust. Über zehn Kilo in einem Jahr, ohne etwas verändert zu haben. Die Ärztin: "Seien Sie froh, andere haben noch Coronaspeck." (Ich: 60 Kilo bei 1,70 m – witzlos.)

Ich recherchierte weiter. Kein Arzt wollte mich aufnehmen. Meine Hausärztin tat alles ab. Selbst für das Hashimoto wollte sie kein Blut abnehmen.

Ich dachte: Vielleicht liegt es daran. Hashimoto kann müde machen. Also: Ab zum Endokrinologen. Schilddrüsenwerte waren gut, außer der hohen Antikörper und unruhiges Gewebe. Aber warum brennende Schmerzen am ganzen Körper? Erklärte sich mir nicht, den Ärzten aber anscheinend schon.

Ich stellte meine Ernährung um: Antientzündlich, kein Gluten, kein Zucker, kein Alkohol, kein Kaffee. Und? Nichts wurde besser.

Immer mehr Lähmungserscheinungen kamen dazu. Ich dachte, es lag an der Sonne. Also: Kaltes Wasser. Wurde schlimmer. Also doch Sonne? Sauna? Auch schlimmer.
Ob je jemand den Rheumafaktor gemessen hat? Nein. Die Lähmungserscheinungen kamen laut Arzt vom Sport.

Dann Termin beim Heilpraktiker. Seine Vermutung: Mitochondrien wegen der Schilddrüse. Und tatsächlich, er hatte recht. Der große Labortest zeigte: Meine Mitochondrien produzieren nur noch ca. 20 % ATP. Aber er konnte den Befund leider nicht auswerten – zu komplex. Also nahm ich es selbst in die Hand. In der Hoffnung, herauszufinden, was mit mir los ist, begann ich die Ausbildung zur Heilpraktikerin. Dann: Immer wieder Fieber. Aber beim Messen war die Temperatur bei 37 Grad. Ich schwitzte nicht mehr, ich fühlte mich als würde ich verbrennen.

Meine Hausärztin sagte: "Evtl. ein Vitamin D-Mangel? Und machen Sie mehr Sport." Ich machte schon Sport. Also: Noch mehr. Ich trainierte für den Mammutmarsch. Lief 30 km. Mit Schmerzen, fast ohnmächtig. Ich dachte: Der Schmerz muss doch irgendwann verschwinden.

Tat er nicht. Ich crashte komplett. Ich stand eines Morgens auf und kippte einfach ohnmächtig um. Innerhalb weniger Minuten hatte ich 41 Grad Fieber, mein Mann rief den Bereitschaftsarzt. Der sagte, „Das ist alles normal bei einer Grippe.“, und ging wieder. Keine fiebersenkenden Medikamente halfen. Montags schleppte ich mich zur Hausärztin und fragte, ob eine Blutabnahme nicht gut wäre? „Nein, bringt nichts. Ist eh nur Influenza.“ 14 Tage lang hatte ich Fieber. Es schnippte in sekundenschnelle von 37 auf 41 Grad und zurück. Ich hatte das erste Mal Todesangst. Irgendwas stimmte hier wirklich gar nicht mehr.

Nach 14 Tagen wurde meine Ärztin plötzlich doch nervös und schickte mich in die Notaufnahme. Kein Corona, keine Influenza. Aber vielleicht war jetzt zu viel Zeit vergangen, um es noch in den Antikörpern zu sehen? Ich schilderte all meine Symptome, die Schmerzen in Armen und Beinen und der Arzt sagte: "Sie sind wegen einer Grippe hier, nicht wegen Muskelschmerzen." Ich wurde nach Hause geschickt, ohne Befund. 

Es ging mir elend. Wochenlang. Und es wurde nicht besser. Neu dazu: Gedächtnisprobleme, massive Wortfindungsstörungen.

Endlich ein Vorstellungstermin bei einer neuen Hausärztin, auf den ich lange gewartet hatte. Die neue Ärztin: "Sie haben nichts." Sie fixierte sich komplett auf die Kopfgeschichte. Psychisch sei das – nach so einer Odyssee kein Wunder.

Also wieder Vitamine gecheckt. „Alle super, dann kann es nur eine psychosomatische Erkrankung sein! Hier ihre Überweisung zum Psychologen. Vielleicht ist es auch das Myofasziale Schmerzsyndrom?“

Der Orthopäde sagte: "Das macht bei diesen Symptomen keinen Sinn."
Der Psychologe hingegen sagte: "Das klingt stark nach ME/CFS. Sie brauchen dringend einen Arzt, der das ernst nimmt."

Zurück zur Hausärztin mit dem Schreiben der Psychologin: keine Depression, keine psychischen Erkrankungen. Ihre Antwort: "Das kann man nie ausschließen. Gehen Sie zu einem anderen Psychologen." ME/CFS? Nie gehört. Will sie auch nicht hören. "Vielleicht sind Sie einfach nur müde. Machen Sie mal lange Urlaub."

Die Diagnose ME/CFS – und was jetzt kommt

Mit meinem Wissen und dem Verdacht im Kopf suchte ich einen Arzt in Hamburg, der sich mit ME/CFS auskennt. Er telefonierte mit mir, gab schnell einen Termin. Ein wirklich toller Arzt – große Blutuntersuchung, direkte Weiterleitung an Prof. Stark in Hamburg.

Bei Prof. Stark dann die finale Diagnose: ME/CFS.
Mit dem ernüchternden Kommentar: „Es tut uns sehr leid, aber die letzten sechs Jahre haben Sie vieles gemacht, das Ihren Zustand massiv verschlechtert hat.“

Und hier bin ich nun. Eine leidenschaftliche Eventmanagerin, die mit 33 Jahren keine Events mehr machen darf. Die ihr Leben neu sortieren muss – aber nicht bereit ist, ihre Träume aufzugeben.
Denn eins ist klar:
Aufgeben war für mich noch nie eine Option. Ich werde mich da durchwuseln. Ich will eine Lösung finden. Ich will wieder Lebenssinn spüren.

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