25. Juli 2025
Do it or do it Not #2
Die Unglaubwürdigkeit der Menschheit bis zu unseren ältesten Freunden.
Heute muss ich sagen: Mental war’s kein guter Tag. Schon am Morgen war alles irgendwie grau und dunkel. Das Wetter – fast August – einfach nur zum Abgewöhnen.
Ein kleiner Moment reicht da manchmal, um alles ins Wanken zu bringen. Ein Autoradio, innere Unruhe, eine Kleinigkeit – und plötzlich fällt die Maske. Ein kleiner Streit, den man sonst nicht ernst genommen hätte. Jetzt ärgere ich mich. Weil ich Lisa damit unnötig Energie gekostet habe. Und die ist einfach nicht mehr da.
An solchen Tagen ist auch Arbeit anstrengend. Und das, obwohl mir mein neuer Job echt Spaß macht. Die Kolleg:innen sind klasse, die Aufgaben machen Sinn – und trotzdem fühlt es sich dann wie ein Kampf an.
Kurz vor Mittag dann die Nachricht: Mein Großonkel ist letzte Woche gestorben. Mein Vater schreibt mir das per WhatsApp. Und ich weiß nicht genau, wie ich es einordnen soll. Mein Großonkel war wie ein Opa für mich. Ein Lebensmensch. Er lebte in Hamburg, mein Vater 500 km entfernt – und war schon letzte Woche da, hat sein Zimmer geräumt, sich verabschiedet.
Ich freue mich für ihn – wirklich. Denn er hat seinen größten Wunsch erfüllt: endlich wieder bei meiner Großtante zu sein. Seine Jugendliebe. Die zwei haben ein Leben voller Liebe geführt, auch wenn ihnen viel genommen wurde. Ihr einziges Kind zum Beispiel. Trotzdem – oder gerade deshalb – waren sie für mich immer Vorbilder. Zwei Menschen, die sich tief und innig geliebt haben. Die immer zusammengehalten haben.
Und dann kommt die Nachricht über WhatsApp. Kein Anruf. Kein Gespräch. Einfach eine kurze Info. Ich bin meinem Vater nicht böse – nur enttäuscht. Es ist diese Distanz, die mich traurig macht. Und diese Art, wie manche Dinge einfach „abgehandelt“ werden.
Es passt zum Anruf des Nachbarn am Wochenende. Er weiß, wie es Lisa geht. Und ruft an, weil er einen Schnupfen hat – ob ich nicht mit seinem Hund rausgehen könnte. Der gleiche Nachbar, der einen Tag vorher noch rumbrüllt und einen Tag später wieder, weil sein „Bestseller“-Buch auf einer Palette geliefert wird.
Wenigstens fragt mein Vater noch, wie es im Job läuft. Und wie es Lisa geht. Ich schreibe ehrlich zurück. Und dann kommt dieser eine Satz:
„Aber Lisa kann wenigstens noch arbeiten.“
Ich hätte am liebsten das Handy gegen die Wand geschmissen. Weil ich weiß, was er eigentlich meint: Hauptsache, ihr habt genug Geld. Es geht ihm nicht darum zu helfen, sondern zu prüfen, ob er’s nicht muss. Und das tut weh.
Es sind diese Momente, in denen ich mich frage, was in der Menschheit eigentlich schiefläuft. Wo sind die Menschen, die einfach mal fragen: Was brauchst du? Oder sagen: Ich bin da.

Und genau in so einem Moment kommt eine WhatsApp von Herbert:
„Guten Appetit“, dazu ein Bild von einem Komposthaufen und einer Zucchini.
Klingt schräg, aber es war genau das, was ich gebraucht habe. Herbert und Duggi – unsere „ältesten“ Freunde in vielerlei Hinsicht 😉 – hatten uns im Frühjahr im Ferienhaus eine Zucchinipflanze auf dem Kompost eingepflanzt. Jetzt fahren wir endlich wieder hin, nach langer Zeit. Die beiden sind leider nicht da, aber sie haben an uns gedacht.
Und das ist das Gegenteil von all dem, was mich vorher aufgeregt hat: Aufmerksamkeit. Liebe. Freundschaft.
Daggi und Herbert – zwei Menschen, wie man sie sich nur wünschen kann. Die nicht nur fragen „Wie geht’s Lisa?“, sondern auch zuhören, wenn man ehrlich antwortet. Die sich mitfreuen über kleine Schritte. Und die immer da sind, ohne viel Aufhebens. Wie mein Großonkel und meine Großtante – einfach da. Einfach verlässlich. Einfach echt.
Lisa sagt mir oft, ich soll mich nicht so ärgern. Und ich versuche das. Ich bin nicht sauer – eher enttäuscht. Aber ich habe gelernt, Verständnis zu haben. Auch wenn’s nicht leichtfällt.
Und wie geht es mir mit dem Tod meines Großonkels? Ich bin traurig, ja. Aber auch dankbar. Dankbar, dass er so ein erfülltes Leben hatte. Dankbar, dass er jetzt endlich da ist, wo er immer wieder hinwollte: bei seiner großen Liebe. Und vielleicht auch ein bisschen hoffnungsvoll, dass so eine Liebe möglich ist – trotz allem.